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Westfalen, Niederrhein und deutschlandweit
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Wohnwagen im Winter

Ich fahre selber sehr gerne campen und diese Frage wird in allen Camping-Runden, sei es digital oder analog, ab Mitte Oktober regelmäßig umfassend diskutiert. Dort kursiert – wie in der Bauphysik leider üblich – viel Halbwissen. Ich versuche für euch ein bisschen Licht in die physikalischen Vorgänge von Temperatur und Feuchte zu bringen, denn das Schöne an der Physik: Sie funktioniert immer gleich, egal was wir glauben zu wissen.

Bauphysik, die Unsichtbare

(Bau-)Physik scheint für viele Menschen schwer greifbar zu sein. Die Vorgänge sind unsichtbar, oft sieht man erst was passiert ist, wenn es zu spät ist und der Bauschaden schon da ist. Dabei folgen die für uns relevanten Vorgänge ganz einfachen Gesetzmäßigkeiten*: Wärmestrom fließt von warm nach kalt, Feuchte diffundiert von hohem Partialdruck zu niedrigem, Luft strömt von hohem Luftdruck zu niedrigem. Alles will in ein Gleichgewicht kommen, und unsere Bauteile wirken als Widerstände dagegen. Um nachzuvollziehen, welche Kombination schadenanfällig und welche schadenfrei bleiben wird, muss man sich überlegen, wie die Situation zusammengesetzt ist. Welche Klimabedingungen habe ich? Welche Widerstände herrschen? Gibt es weitere Einflussfaktoren, die sich positiv oder negativ auswirken?

Wirtschaft, die Geschäftstüchtige

Dagegen arbeitet jetzt leider eine florierende Wirtschaft, die den Menschen jeden möglichen Blödsinn andrehen möchte. Und je weniger ein Mensch weiß, desto anfälliger für falsche Sachverhalten ist er. Also kam irgendwann ein cleverer Marketingmensch auf die Idee, Entfeuchter für Wohnwagen zu empfehlen. Ein paar Schreckensbilder gezeichnet: Feuchtigkeit, Stockflecken, Schimmel! Und schon konnten kleine Salztüten im Plastikbehälter gut verkauft werden. Nachdem ein paar Wohnwagen damit ausgestattet wurden und sich ordentlich Wasser in den Auffangbehältern gebildet wurde, muss folgendes passiert sein (anders kann ich die Schlussfolgerung nachvollziehen): Das Wasser wurde weggeschüttet, neues Salz in den Wagen gelegt und nach 1-2 Wochen: Der Behälter ist wieder voll! Und wieder, und wieder. Also müssen diese Entfeuchter ganz viel Feuchtigkeit in den Wohnwagen ziehen. Sie machen alles nur noch schlimmer!

Einmal Ja, Einmal Nein, Einmal Physik

Und schon waren zwei unerbittlich streitende Lager geboren. Da keiner dem anderen auch nur die geringste Kleinigkeit glaubt, werfe ich mich als Schiedsrichter nun dazwischen und erkläre euch grundlegend die Physik eines Wohnwagens, das Prinzip der Entfeuchter und warum es (außer für euer Portemonnaie) total egal ist, ob ihr Salz im Wohnwagen lagert oder nicht.

Zuerst etwas Chemie, dann die Physik*

Salze lösen sich in Wasser auf, das ist bekannt. Aber Salze können auch Wasserdampf (also Luftfeuchtigkeit) aufnehmen und sich dabei verflüssigen. Dies geschieht bei einer ganz bestimmten relativen Feuchtigkeit in der Luft, der sogenannten Deliqueszenzfeuchte. An dieser Grenze, die für alle Salze unterschiedlich ist, verflüssigt sich das Salz oder kristallisiert wieder aus. Hin und her, sooft wie sich die relative Luftfeuchtigkeit eben ändert. In einem geschlossenen Raum wird so sehr zuverlässig die gewünschte relative Luftfeuchtigkeit eingestellt werden. Stellt man Salze aber in eine unerschöpfliche Quelle für Feuchtigkeit – z.B. die Außenluft – verflüssigt sich das Salz fröhlich, aber die Luftfeuchtigkeit rundherum ändert sich nicht.
Betrachten wir den Wohnwagen einmal von physikalischer Seite. Die Hülle besteht außen aus einer Metall- oder GFK-Haut, dann ein Schaumdämmstoff und innen meist Kunststoff. Anders gesagt: die Hülle ist dicht. Dort werden im Regelfall weder Luft und noch Feuchtigkeit durchkommen. Aber jeder Wohnwagen hat eine Zwangslüftung: mehrere ca. 8cm große Löcher im Boden. Darüber wird dauerhaft die Wohnwagenluft durch Frischluft von außen ersetzt. Zum Vergleich: ein neu gebautes Haus tauscht bei etwas windigem Wetter ungefähr alle 2 Stunden einmal komplett das Luftvolumen aus. In unserem kleinen löchrigen Wohnwagen passiert das sicherlich viel schneller. Es herrschen also quasi dauerhaft Außenbedingungen im Wagen.

Verbinden wir diese beiden Umstände nun. Im Wohnwagen steht durch die Zwangslüftung immer wieder neue Feuchtigkeit zur Verfügung. Die Salze im Entfeuchter lösen sich auf. Es kommt neue Feuchtigkeit in den Wohnwagen, die noch verbliebenen Salze lösen sich weiter auf, es kommt neue Feuchtigkeit in den Wohnwagen, usw. Hier werden sich jetzt sicherlich einige freuen „Ich hab es doch gesagt, die Entfeuchter ziehen Feuchtigkeit in den Wohnwagen!“. Die Entfeuchter binden zuerst einmal Feuchtigkeit. Ob sie allerdings die Feuchtigkeit soweit reduzieren können, dass wirklich ein Partialdampfdruckgefälle entsteht und Feuchtigkeit diesem Gefälle folgt, oder ob einfach nur die Luftbewegung neue Feuchtigkeit in den Wohnwagen bringt, sei mal dahingestellt. Es ist letztlich nämlich auch egal.

Stellen wir uns vor, es wäre kein Entfeuchter im Wohnwagen. Die Luft wird regelmäßig ausgetauscht, das heißt im Umkehrschluss auch, dass die Luft von innen wieder nach außen gelangt. Je nachdem ob ein Über- oder Unterdruck an der Zwangslüftung herrscht, wird Luft in den Wohnwagen oder nach draußen gesogen. Es ist also im Wohnwagen genauso wie draußen. Und jetzt die Preisfrage: Gibt es draußen Schimmel? Also durch Luftfeuchtigkeit, nicht durch stehendes Wasser oder Regen? Eben, im Schnitt ist unsere Außenluft nämlich zu trocken und im Winter auch zu kalt, um Schimmelpilze wachsen zu lassen.

Nun wieder die Situation mit dem Entfeuchter. Wir stellen diesen in den Wohnwagen, die Salze lösen sich und dann? Passiert nichts. Die handelsüblichen Entfeuchter bestehen aus Magnesiumchlorid oder Calciumchlorid und haben Deliqueszenzfeuchten von ca. 30%. D.h. ab dieser relativen Luftfeuchtigkeit fangen die Salze an sich zu lösen, der Behälter wird voller und voller. Die Luftfeuchtigkeit wird aber durch die Zwangslüftung immer wieder „aufgefüllt“ und folgt so weiterhin der Außenfeuchtigkeit. Jetzt ist der Entfeuchter voll, was passiert? Nichts. Denn dafür müsste, wie wir ja schon gelesen haben, die Feuchte im Entfeuchtungsbehälter unter die Deliqueszenzfeuchte, also 30%, fallen. Und das ist mit einer Zwangslüftung eigentlich völlig unmöglich, denn die Außenluft ist in Deutschland niemals so trocken. Auch wenn die Sonne den Wohnwagen kurz aufheizt und die relative Feuchtigkeit dadurch sinkt. Es steht jetzt einfach ein Behälter mit Salzwasser im Wohnwagen herum und wartet darauf, dass man darüber stolpert.

Update: in-situ-Messung im Wohnwagen

Den Zeitraum vom letzten Urlaub bis zur Überwinterung in der Halle habe ich bei unserem Wohnwagen genutzt, um eine Klimamessung durchzuführen. Dazu habe ich zwei Datenlogger für Temperatur und Feuchte aufgestellt: einen mitten im Wohnwagen und einen darunter. Diese habe ich drei Wochen, vom 21. Oktober bis zum 8. November, laufen lassen und möchte die Daten für euch im Folgenden auswerten.

Zunächst zur Temperatur:

Temperaturverlauf im Wohnwagen

Wie schon im Text erwähnt, folgt die Temperatur im Wohnwagen durch die Zwangsbelüftung nahezu direkt der Außenlufttemperatur. Sonneneinstrahlung, Wind, evtl. verdunstener Regen, etc. nehmen natürlich auch noch Einfluss. Im Diagramm sieht man jedoch, dass die Differenz der Außen- und Innenlufttemperatur (rote Kurze) sich nur um max. 4-5 K unterscheidet.

Verlauf der relativen Feuchte im Wohnwagen

Das sieht bei der relativen Feuchte schon etwas anders aus. Die blaue Kurve beschreibt den Verlauf der Feuchte in der Außenluft. Dieser Verlauft zwischen 60 und 100 %rF ist für unser Herbstklima typsisch: richtig trockene, warme Luft gibt es nicht. Dafür regnet es häufig und die Luft bleibt länger feucht.

Im Wohnwagen steigt die relative Feuchte natürlich auch an, allerdings nur bis maximal ca. 80%rF.  Das hat zum einen damit zu tun, dass es im Wohnwagen nicht regnet und daher insgesamt weniger Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Außen dauert es einige Zeit, bis der Regen über die Luft wieder verdunstet. Zum anderen liegt es an der Puffermöglichkeit der Einrichtung. Wir haben 4 Matratzen, 1 Sitzgruppe und sogar einen Teppich im Wagen: Alle Stoffe können Feuchtigkeit puffern und halten so das Klima konstant(er).

Wie ihr seht, braucht ihr also grundsätzlich schonmal keine Angst vor Schimmel im Wohnwagen zu haben. Unterhalb von 80%rF kann Schimmel normalerweise nicht wachsen (außer auf Lebensmitteln, aber die sind hier ja nicht das Problem). Zudem zeigen die Daten, dass die Zwangsbelüftung so gut funktioniert, dass eben dauerhaft frische Luft und damit unendlich viel Feuchtigkeit zur Verfügung steht, dass ein Entfeuchter für das Klima im Wohnwagen völlig egal ist.

Und jetzt ihr

Ich hoffe ihr habt die Mechanismen hinter der Luftfeuchtigkeit in einem Wohnwagen verstanden und wie ein Luftentfeuchter funktioniert. Dann könnt ihr mir sicherlich auch die Frage beantworten, warum Haushaltssalz (Natriumchlorid, Deliqueszenzfeuchte von ca. 75%) zum entfeuchten noch viel weniger funktioniert.

* Die Erklärungen in diesem Blog sind natürlich vereinfacht. Fachlich könnte man viele der Themen deutlich mehr ausarbeiten und komplexer beschreiben. Dazu kann man sich gerne der gängigen Fachliteratur bedienen.

Post Author: Sarah Kosmann

15 Replies to “Bauphysik in der Praxis – Wie überwintere ich meinen Wohnwagen?”

  1. Danke für die schon vorhandene Annahme. Jetzt habe ich die Bestätigung. Muss nur nich das Entlüften auch funktionieren.

    1. Ja, natürlich muss die Entlüftung funktionieren. In einem Wohnwagen im Auslieferungszustand – also wenn nicht eigenhändig daran herumgeschraubt wurde – sollte das aber kein Problem sein.

      1. Hallo,
        vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Können Sie die Messreihen für die relative Luftfeuchtigkeit sowohl mit als auch ohne Entfeuchter durchführen? Der durchschnittliche Mittelwert der relativen Luftfeuchtigkeit innerhalb vom Wohnwagen sollte sich doch mit einem Entfeuchter trotzdem etwas reduzieren, oder?
        Grüsse

  2. Mit der zwangsentlüftung im Wohnwagen mag ja wohl sein ,kann ich nicht beurteilen,aber das sich bei einem Neubau die Luft alle 2 Stunden komplett austauscht,halte ich für übertrieben,man bedenke warme Luft raus kalte Luft rein und das alle 2 Stunden

    1. Doch, die Größenordnung kann hinkommen. Abhängig natürlich von Windgeschwindigkeit und der Qualität des Gebäudes. Normale Wohnhäuser haben bei 50Pa Druckunterschied zwischen innen und außen (das entspricht einem sehr windigen Tag) Luftwechselraten von 1-3 pro Stunde. Natürlich fühlt man das nicht, weil die Bauteile und die Heizung die Luft schnell wieder aufheizen. Aber trotzdem kann es in solche Größenrdnungen gehen. Nicht umsonst ist der sogenannte Lüftungswärmeverlust mit der größte Anteil an gesamten Wärmeverlust eines Gebäudes. Wenn du fachlich tiefer einsteigen möchtest: http://www.unikassel.de/fb6/bpy/de/forschung/abgeschlprojekte/pdfs/maas_diss.pdf oder https://www.irbnet.de/daten/kbf/kbf_d_F_2425.pdf

  3. Wie sieht das nun bei denen aus, die Ihr Campingfahrzeug – egal ob Wohnwagen oder Wohnmobil – den Winter über heizen??

    1. In beheizten Räumen hat man in der Regel keine Probleme mit Schimmel. Die Zwangslüftung funktioniert auch in beheizten Campern wie oben beschrieben, da die Innenluft dann aufgeheizt wird, verringert sich die relative Feuchte. Durch die ebenfalls aufgeheizten und damit wärmeren Oberflächen entsteht dort auch kein Tauwasser mehr.

  4. Vielen Dank für die tolle Erklärung. Ich war in Physik nicht gerade eine Leuchte, aber diese Erklärung habe selbst ich verstanden:-)

  5. Hallo liebe Sarah, vielen Dank für die tolle und einfache Erklärung. Eine kleine Frage habe ich noch, und zwar nutzen wir eine S. G. atmungsaktive Dachabdeckung an unserem Wohnwagen. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil oder ist auch das zum Thema Luftfeuchtigkeit egal?
    Danke

    1. Das sollte eigentlich egal sein. Die Außenhülle des Wohnwagens ist ja dicht, wenn du darüber eine (mäßig) dichte Folie legst, ändert sich nichts. Wichtig ist, dass die Zwangsbelüftung am Boden nicht zugedeckt wird.
      Viele Grüße!

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